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Sozialhilfe

Einleitung

Im März 2019 wurde das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz beschlossen, mit dem die Sozialhilfe (wieder) an die Stelle der Bedarfsorientierten Mindestsicherung tritt. Dabei handelt es sich nicht nur um eine Namensänderung, sondern um eine umfangreiche Umgestaltung des Systems* der Existenzsicherung. Das gesamte Ausmaß dieses Umbaus hängt von den teilweise sehr unterschiedlichen Ausführungsgesetzen der Bundesländer ab.

Bedarfsorientiere Mindestsicherung oder Sozialhilfe?

Die Sozialhilfe ist gleichzeitig die Vorgängerin wie auch die Nachfolgerin der als Art 15a B-VG geregelten Vereinbarung zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung zwischen Bund und Ländern. Die Mindestsicherung wurde im Jahr 2010 von der damaligen Bundesregierung eingeführt, um das System der sozialen Sicherheit in größerem Ausmaß armutsfest zu machen. Nachdem im Herbst 2016 die notwendig gewordenen Verhandlungen über eine Verlängerung gescheitert waren, lief die Vereinbarung aus. Sie wurde durch eigene, letztlich voneinander unabhängige Mindestsicherungsregime der Länder ersetzt, die ab 2019 ihrerseits (wieder) durch die Sozialhilfe ersetzt wurden. Tirol und Wien bilden dabei Ausnahmen, da dort nach wie vor Mindestsicherungsgesetze für existenzsichernde Aufgaben zuständig sind. Der sprachlichen Einfachheit halber wird im Folgenden in Bezug auf aktuelle Leistungen jedoch nur von der Sozialhilfe die Rede sein.

Wesentliche Unterschiede

MindestsicherungSozialhilfe
Ziel: Bekämpfung und Vermeidung von Armut und sozialer AusschließungVorrangig integrationspolitische und fremdenpolizeiliche Ziele
MinimalbeträgeMaximalbeträge
Leistung für Paare: 150 % des GrundbetragsLeistung für Paare: 140 % des Grundbetrags
Jede:r weitere Erwachsene: 50 % des GrundbetragsJede:r weitere Erwachsene: 45 % des Grundbetrags
15 % für jedes der ersten 3 Kinder25 % fürs 1. Kind, 15 % fürs 2. Kind, 5 % ab dem 3. Kind – vom VfGH zT aufgehoben
Keine DeckelungDeckelung für Wohngemeinschaften
Keine Unterscheidung nach SprachkompetenzSchlechterstellung von Menschen mit geringen Deutschkenntnissen – vom VfGH aufgehoben
Vermögensfreibetrag idH des
5fachen des Grundbetrags
Vermögensfreibetrag idH des
6fachen des Grundbetrags
Grundbucheintragung nach 6 MonatenGrundbucheintragung nach spätestens 3 Jahren
Grundstruktur der Sozialhilfe

Die Sozialhilfe stellt das sogenannte dritte oder letzte Netz der sozialen Sicherung dar, das all jene auffangen soll, die ihren Lebensunterhalt nicht aus ihrem Erwerbseinkommen, ihren Ersparnissen, durch Leistungen der Sozialversicherung (bei Arbeitslosigkeit, Arbeitsunfähigkeit, im Alter usw) oder durch die Versorgung seitens unterhaltspflichtiger Angehöriger sichern können. Mithilfe der Sozialhilfe sollen Menschen die laufenden Ausgaben zur Sicherung des Lebensunterhalts wie auch jene fürs Wohnen abdecken, soweit ihnen das ohne die Sozialhilfe nicht möglich ist.

Im System der sozialen Sicherung in Österreich ist die Sozialhilfe ein Teil des Sozialrechts, zu dem auch die Systeme der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sowie der Arbeitslosenversicherung gehören. Mit einem Anteil von lediglich 0,7 % an den Gesamtausgeben des Sozialsystems kommt der Sozialhilfe dabei nur eine untergeordnete Rolle zu.

Es gilt der Grundsatz der Subsidiarität (= Nachrangigkeit), dh, die Sozialhilfe wird nur gewährt, wenn und soweit andere Möglichkeiten zur Sicherung des Lebensbedarfs nicht bestehen. Grundsätzlich reduziert jedes erworbene Einkommen des gesamten Haushalts die Unterstützungsleistung durch die Sozialhilfe. Erklärtes Ziel ist die (Wieder-)Eingliederung von erwerbsfähigen Beziehern und Bezieherinnen in den Arbeitsmarkt.*

Die Leistungsstandards orientieren sich am Ausgleichszulagenrichtsatz der gesetzlichen Pensionsversicherung, wobei das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz den Bundesländern die Möglichkeit einräumt, geringere Leistungshöhen festzusetzen. Die Reduktion der Leistungshöhe um zumindest 35 % für Personen ohne Pflichtschulabschluss mit Deutsch als primärer Unterrichtssprache bzw Sprachniveau B1 (Deutsch) oder C1 (Englisch) gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen wurde durch die Entscheidung des VfGH vom 12.12.2019 aufgehoben.

Das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz regelt im Rahmen des Artikels 12 Abs 1 Z 1 B-VG die Vorgaben, an die sich die Bundesländer zu halten haben, wobei es ihnen bei der Ausführung Spielräume ermöglichen muss. Die aus der Sozialhilfe entstehenden Kosten werden – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – von den Ländern und Gemeinden sowie von regresspflichtigen Personen getragen. Zusätzlich hat sich der Bund – vorläufig bis Ende 2025 – verpflichtet, die Kosten für die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung der Sozialhilfe-Bezieher:innen weiterhin zu tragen (§ 9 ASVG).

Aufbau der Sozialhilfe

Die Sozialhilfe umfasst die Bedarfsbereiche des allgemeinen Lebensunterhalts und der Befriedigung des Wohnbedarfs.

Unter dem Begriff „Lebensunterhalt“ wird der regelmäßig wiederkehrende Aufwand für Nahrung, Bekleidung, Körperpflege sowie andere persönliche Bedürfnisse wie die soziale und kulturelle Teilhabe zusammengefasst. Der Lebensunterhalt soll durch eine pauschale Geldleistung der Sozialhilfe gedeckt werden.

Der Begriff „Wohnbedarf“ umfasst den für die Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation erforderlichen regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Miete, Hausrat, Heizung und Strom sowie sonstige allgemeine Betriebskosten und Abgaben.

Sozialhilfe-Bezieher:innen und ihre Angehörigen sind automatisch in die gesetzliche Krankenversicherung eingebunden – inklusive Befreiung von Rezept- und e-card-Gebühr.

Leistungen im stationären Bereich, also solche für Personen in Altenwohn- und Pflegeheimen, werden von der sogenannten „geschlossenen Sozialhilfe“ erbracht.

Die Ausgaben für die Leistungen der im Jahr 2022 geltenden Sozialhilfe betrugen im Jahr insgesamt € 972 Mio (+0,7 % gegenüber 2021). Gemessen an den gesamten Sozialausgaben in Österreich lt Statistik Austria in Höhe von € 136 Mrd (2022) waren dies ca 0,7 %.* Aufgrund unklarer Bezugsvoraussetzungen, Regresspflichten und behördlicher Sozialkontrolle nahmen viele potenzielle Sozialhilfebezieher:innen die Leistungen nicht in Anspruch. Die Rate der Nichtinanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen bspw aus Scham, Angst vor Stigmatisierung, aufgrund von Informationsdefiziten usw ist in diesem Bereich besonders hoch, eine Studie auf Basis von Daten aus dem Jahr 2015 geht von bis zu 30 % der potenziellen Empfänger:innen aus.*

Ein Vergleich mit den Daten von 2009 – vor Einführung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung und der späteren Wiedereinführung der Sozialhilfe – zeigt, dass die Rate der Nichtinanspruchnahme zwischen den Untersuchungszeitpunkten stark gesunken ist (von über 50 % auf 30 %). Das liegt sehr wahrscheinlich ua an der mit der Bedarfsorientierten Mindestsicherung eingeführten verpflichtenden Ausstellung von schriftlichen Bescheiden, der Beschränkung der Bearbeitungsdauer von Anträgen, der transparenteren Ausgestaltung der Leistung sowie der hohen medialen Aufmerksamkeit, die die damalige Reform auf sich gezogen hat.