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1.12

Pensionsversicherung für pflegende Angehörige

Gesetzliche Grundlage§§ 18a, 18b, 77 ASVG (BGBl I 2013/124), §§ 21g, 21h BPGG (BGBl I 2022/213)
FinanzierungBundesmittel, FLAF
Gesamtausgabenrd € 107 Mio (2022) Einnahmen aus Beiträgen
Selbstversicherung für die Pflege von nahen Angehörigen oder eines Kindes mit Behinderung4.558 Neuanträge (2022)*

1. Zweck der Leistung

Die Pflege zu Hause durch eine:n nahe:n Angehörige:n ist oft wegen der (teilweisen) Aufgabe der beruflichen Tätigkeit mit finanziellen Nachteilen in der Pensionshöhe verbunden. Im ASVG wurde daher die Möglichkeit der Selbst- und Weiterversicherung in der Pensionsversicherung geschaffen. Diese Versicherungen sind für die Versicherten beitragsfrei, da die Versicherungsbeiträge zur Gänze aus Mitteln des Bundes und des FLAF aufgebracht werden. Pflegende Angehörige können somit kostenlos Ver­si­che­rungs­zei­ten erwerben.

Verfahren

Der Antrag auf freiwillige Selbstversicherung oder Weiterversicherung in der Pensionsversicherung kann online abgerufen werden (www.pensionsversicherung.at). Der zuständige Sozialversicherungsträger (zumeist die PVA) entscheidet mit Bescheid. Der Bescheid kann mittels Beschwerde an das BVwG angefochten werden. Gegen die Entscheidung des BVwG ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof möglich.

2. Wesentliche Anspruchsvoraussetzungen

Die Pflegeleistungen müssen in häuslicher Umgebung erbracht werden und nicht zB in einem Pflegeheim. Dabei ist es nicht relevant, ob es sich um die häusliche Umgebung des oder der Pflegebedürftigen oder der pflegenden bzw einer dritten Person handelt. Es muss auch kein gemeinsamer Haushalt dieser beiden Personen vorliegen. Der Wohnsitz der pflegenden Person muss sich während des Zeitraumes der Pflegetätigkeit jedoch im Inland befinden.

Als nahe Angehörige gelten:

  • die Ehegattin oder der Ehegatte

  • Personen, die mit der pflegebedürftigen Person in gerader Linie oder bis zum 4. Grad der Seitenlinie verwandt oder verschwägert sind: zB Kinder, Enkel, Eltern, Großeltern, Geschwister, Cousinen und Cousins

  • Wahl-, Stief- und Pflegekinder

  • Wahl-, Stief- und Pflegeeltern

  • die Lebensgefährtin oder der Lebensgefährte sowie eingetragene Partner:innen

Weitere Anspruchsvoraussetzungen sind abhängig vom jeweils in Betracht kommenden Modell der freiwilligen Versicherung für pflegende Angehörige.

a)
Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger

Personen, die eine:n nahe:n Angehörige:n mit zumindest Anspruch auf Pflegegeldstufe 3 unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, können sich, solange sie während des Zeitraums dieser Pflegetätigkeit ihren Wohnsitz im Inland haben, nach § 18b Abs 1 ASVG in der Pensionsversicherung selbst versichern. Die kostenlose Selbstversicherung ist auch ohne Vorversicherungszeiten möglich. Der oder die pflegebedürftige Angehörige muss Pflegegeld der Stufe 3 nach dem BPGG beziehen.

Die Pflege des oder der Angehörigen muss die Arbeitskraft des oder der Pflegenden erheblich beanspruchen. Ein Erwerbseinkommen über der Geringfügigkeitsgrenze (2024: € 518,44) steht der Selbstversicherung nicht entgegen. Zur Selbstversicherung ist eine Pflegetätigkeit im Sinne des BPGG von zumindest 14 Stunden wöchentlich notwendig.

Erwerbstätigkeit des Pflegenden in Vollzeit schließt Selbstversicherung nicht von vornherein aus (VwGH Ro 2014/08/0082, Ro 2014/08/0084; BVerwG W178 2142651-1).

Die Selbstversicherung ist seit 1.1.2023 nicht mehr möglich, wenn die pflegende Person eine Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung bezieht.

Die Selbstversicherung ist für den Zeitraum des Bezuges von Pflegekarenzgeld nicht möglich.

Die Selbstversicherung für die Pflege eines oder einer nahen Angehörigen ist ausgeschlossen, wenn bereits eine Selbstversicherung für die Pflege eines behinderten Kindes vorliegt. Außerdem kann eine pflegende Person, auch wenn sie mehrere nahe Angehörige pflegt, nur einmal die Selbstversicherung für die Pflege naher Angehöriger geltend machen.

Eine Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger kann – wenn mehrere Personen die Pflege gemeinsam wahrnehmen – zeitgleich jeweils nur für eine pflegende Person abgeschlossen werden.

b)
Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes

Für Personen, die ein Kind mit Behinderung in häuslicher Umgebung pflegen und deswegen nicht oder nur eingeschränkt berufstätig sein können, besteht die Möglichkeit, sich, solange sie während des Zeitraums dieser Pflegetätigkeit ihren Wohnsitz im Inland haben, nach § 18a Abs 1 ASVG in der Pensionsversicherung selbst zu versichern. Die kostenlose Selbstversicherung ist auch ohne Vorversicherungszeiten möglich.

Voraussetzung ist außerdem der Bezug der erhöhten Familienbeihilfe iSd § 8 Abs 4 FLAG, nicht aber Anspruch auf Pflegegeld.

Die Pflege des Kindes muss die Arbeitskraft überwiegend, aber nicht nur Gänze beanspruchen. Ein Erwerbseinkommen über der Geringfügigkeitsgrenze (2024: € 518,44) steht der Selbstversicherung nicht entgegen. Auch eine Erwerbstätigkeit darüber hinaus steht der Selbstversicherung grundsätzlich nicht entgegen, sofern die Arbeitskraft überwiegend durch die Pflege des behinderten Kindes beansprucht wird.

Eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft wird jedenfalls dann angenommen, wenn und solange das behinderte Kind

  • das Alter für den Beginn der allgemeinen Schulpflicht noch nicht erreicht hat und ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,

  • während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,

  • nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht und vor Vollendung des 40. Lebensjahres dauernd bettlägerig ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf.

Ausschluss der Selbstversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes
  • Wenn die pflegende Person eine Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung bezieht.

  • Für einen Zeitraum, in dem Wochengeld, Krankengeld, Rehabilitationsgeld, eine Geldleistung vom AMS oder Wiedereingliederungsgeld bezogen wird.

  • Für Personen, die ihr Kind in den ersten 48 Kalendermonaten nach der Geburt (60 Monate bei Mehrlingsgeburt) tatsächlich und überwiegend erziehen und somit pensionsversichert sind.

  • Wenn bereits eine Selbstversicherung für die Pflege eines oder einer nahen Angehörigen vorliegt.

Weiters kann eine pflegende Person, auch wenn sie mehrere behinderte Kinder pflegt, nur einmal die Selbstversicherung für die Pflege naher Angehöriger geltend machen. Eine Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes kann – wenn mehrere Personen die Pflege gemeinsam wahrnehmen – zeitgleich jeweils nur für eine pflegende Person abgeschlossen werden.

c)
Weiterversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger

Aus der Pflichtversicherung ausgeschiedene Personen, die eine:n nahe:n Angehörige:n mit zumindest Anspruch auf Pflegegeldstufe 3 unter Beanspruchung ihrer ganzen Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, können sich, solange sie während des Zeitraums dieser Pflegetätigkeit ihren Wohnsitz im Inland haben, nach § 77 Abs 6 ASVG in der Pensionsversicherung weiterversichern. Für die Weiterversicherung in der Pensionsversicherung bei Pflege naher Angehöriger müssen Vorversicherungszeiten vorliegen. Konkret sind in den letzten 24 Monaten vor dem Ende der Pflichtversicherung mindestens 12 Versicherungsmonate nötig oder in den letzten fünf Jahren mindestens drei Versicherungsmonate pro Jahr. Es genügen aber auch insgesamt 60 Versicherungsmonate vor der Antragstellung.

Die Pflege muss die ganze Arbeitskraft beanspruchen, dh, die Ausübung einer pflichtversicherten Erwerbstätigkeit parallel zur Weiterversicherung ist nicht möglich.

Die begünstigte Weiterversicherung kommt pro Pflegefall nur für eine Person in Betracht und bleibt auch während eines zeitweiligen stationären Krankenhausaufenthaltes der zu pflegenden Person aufrecht.

3. Höhe der Transferleistung

a)
Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger

Der versicherten Person erwachsen hierbei keine Kosten. Die Beiträge werden zur Gänze aus Mitteln des Bundes getragen. Die Selbstversicherung bietet daher die Möglichkeit, kostenlos Versicherungszeiten zu erwerben. Als monatliche Beitragsgrundlage gilt im Jahr 2024 ein Betrag von € 2.163,78. Auf Basis dessen werden Gutschriften fürs Pensionskonto erworben.

Ein daneben bezogenes vollversichertes Erwerbseinkommen wirkt sich ebenfalls positiv auf die Pensionshöhe aus. Die dadurch erworbenen Gutschriften im Pensionskonto werden mit den Gutschriften aus der Selbstversicherung addiert.

b)
Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes

Der versicherten Person erwachsen hierbei keine Kosten. Die Beiträge werden zur Gänze aus Mitteln des Bundes getragen. Die Selbstversicherung bietet daher die Möglichkeit, kostenlos Versicherungszeiten zu erwerben. Als monatliche Beitragsgrundlage gilt im Jahr 2024 ein Betrag von € 2.163,78. Auf Basis dessen werden Gutschriften fürs Pensionskonto erworben.

Ein daneben bezogenes vollversichertes Erwerbseinkommen wirkt sich ebenfalls positiv auf die Pensionshöhe aus. Die dadurch erworbenen Gutschriften im Pensionskonto werden mit den Gutschriften aus der Selbstversicherung addiert.

c)
Weiterversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger mit Anspruch auf Pflegegeld von zumindest Stufe 3

Die Beitragsgrundlage kann zwischen € 950,40 und € 7.063,87 pro Monat liegen (Wert 2024), je nachdem, wie viel vorher sozialversicherungspflichtig verdient wurde – und zwar in dem Jahr, bevor die Arbeit aufgegeben wurde, um jemanden zu pflegen. Als Beitrag zur Weiterversicherung sind pro Monat 22,8 % der Beitragsgrundlage zu bezahlen. Unter Berücksichtigung der obigen Mindest- und Höchstbeträge sind daher für einen Monat der freiwilligen Weiterversicherung zwischen € 216,69 und € 1.610,56 zu bezahlen. Diese Beiträge werden zur Gänze aus Mitteln des Bundes getragen.

4. Bezugsdauer

a)
Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger

Der Beginn der Selbstversicherung kann von der pflegenden Person frei gewählt werden. Der früheste Beginn ist der erste Tag des Monats, in dem mit der Pflege begonnen wird, der späteste Beginn ist jedoch der Monatserste, der dem Tag der Antragstellung folgt (§ 18b Abs 2 ASVG). Die Selbstversicherung ist maximal 12 Monate ab Antragstellung rückwirkend möglich. Die Selbstversicherung endet mit Ende des Kalendermonats, in dem eine der Voraussetzungen wegfällt oder die pflegende Person den Austritt aus dieser Versicherung erklärt.

b)
Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes

Der Versicherungsbeginn kann von der pflegenden Person gewählt werden. Der frühestmögliche Zeitpunkt ist ab dem 4. Geburtstag des Kindes, denn die ersten vier Lebensjahre werden ohnehin als Versicherungszeiten für die Pensionsversicherung anerkannt. Frühestens beginnt die Selbstversicherung mit dem Monatsersten, ab dem erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird.

Die Selbstversicherung endet mit dem Wegfall einer der Voraussetzungen oder mit dem Eintritt eines Ausschlussgrundes oder durch Austrittserklärung zum Letzten des Kalendermonats, spätestens aber am Letzten des Monats, in dem die gepflegte Person 40 Jahre alt wird.

Wenn irgendwann in der Zeit seit dem 1.1.1988 ein behindertes Kind gepflegt wurde und die Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllt sind, können Zeiten als Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung aufgrund einer Selbstversicherung nachträglich beansprucht werden, und zwar für alle oder einzelne Monate, maximal jedoch für 120 Monate rückwirkend.

c)
Weiterversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger

Die Weiterversicherung beginnt mit dem Zeitpunkt, den die pflegende Person wählt, spätestens jedoch mit dem Monatsersten, nachdem der Antrag gestellt wurde.

Die Weiterversicherung muss innerhalb von sechs Monaten ab Ende der Pflichtversicherung bei der zuständigen Pensionsversicherungsanstalt beantragt werden. Wenn bereits 60 Versicherungsmonate erworben wurden, kann der Antrag jederzeit eingebracht werden. Die Weiterversicherung kann auch bis zu 12 Monate ab Antragstellung rückwirkend abgeschlossen werden. Die Weiterversicherung endet, wenn die Voraussetzungen wegfallen, also zum Beispiel eine Erwerbstätigkeit aufgenommen wird oder die gepflegte Person nicht länger in häuslicher Umgebung betreut wird. Bei einem zeitweiligen Krankenhausaufenthalt des oder der pflegebedürftigen Angehörigen bleibt die Weiterversicherung allerdings aufrecht. Die Weiterversicherung endet spätestens mit der Austrittserklärung zum Letzten eines Kalendermonates.